Paderborn. Ein Satz brachte das ganze Dilemma des aktuellen Krieges in der Ukraine auf den Punkt: „Die Waffen, die wir haben, sind relativ stumpf“, befand Prof. Dr. Peter Schallenberg, Moraltheologe an der Theologischen Fakultät Paderborn, in der Diskussion zum Thema „375 Jahre Westfälischer Friede – und bis heute nichts gelernt?!“ zu den Aussichten auf eine Befriedung des seit über einem Jahr andauernden Konfliktes. Über 200 Gäste waren der Einladung von Westfalen e.V., Paderborner Bürgerschützen (PBSV) 1831 in Kooperation mit dem nordrhein-westfälischen Landesverband des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK) gefolgt, um in der Paderborner Kaiserpfalz Informationen und Hintergründe über den Angriffskrieg Putins auf die Ukraine zu bekommen.
Wolfgang Schneiderhan, VDK-Präsident und ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr, ging in der Debatte davon aus, dass es einen „längeren Abnutzungskrieg“ in der Ukraine geben werde, ehe die Bereitschaft zum Frieden wachse. „Diese Phase muss begleitet werden“, geht der Ex-Soldat davon aus, dass der Gesprächsfaden unter den Kriegsbeteiligten nicht abreißen möge. Noch deutlicher wurde Elmar Brok, langjähriger Europaabgeordneter und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Europäischen Parlaments: „Das ist ein Vernichtungskrieg – in Wort und Tat“, deshalb wolle er „keine wohlfeilen Ratschläge an die Ukraine“ senden. Nur die „Wahrung eines gerechten Friedens“ – also eine Einigung auf Augenhöhe und mit gesellschaftlicher Akzeptanz – könne dauerhafte Wirkung entfalten. Der Politiker mahnte zugleich eine „bessere Politik in Afrika und Südamerika“ an, um künftige Konflikte zu vermeiden. Zudem hätten die jüngsten Ereignisse gezeigt, dass es möglichst keine Abhängigkeiten – etwa von Russland oder China – geben dürfe.
Bereits zur Begrüßung hatte Regierungspräsidentin und VDK-Bezirksvorsitzende Anna Katharina Bölling deutlich gemacht: „Frieden wird nicht von Politikern gemacht. Er entsteht nur, wenn man sich auf Augenhöhe begegnet.“ Welche verheerenden Folgen die Gewalt im Dreißigjährigen Krieg im Hochstift Paderborn hatte, zeigte PBSV-Oberst Thomas Spieker auf: Allein Paderborn sei vor dem Friedensschluss von 1648 in Münster und Osnabrück 16-mal belagert worden. „Der Westfälische Friede gibt Anregungen, ist aber keine Blaupause“, befand er zu möglichen Parallelen der Konfliktbewältigung. „Frieden muss gesellschaftlich akzeptiert werden“, sprach sich der Ex-General in seinem Impulsvortrag für eine Lösung auf möglichst breiter Basis aus. „Es braucht Personen, die Änderungen wollen“, erinnerte Schallenberg in seinem Statement an die Friedensbemühungen nach dem Zweiten Weltkrieg. Ziel müsse ein „gerechter Frieden“ sein. Der Aggressor Putin dürfe „nicht belohnt“ werden, anderenfalls gebe es ein „Ende der europäischen Friedensordnung“, stellte Brok klar.
Die Hoffnung, dass es Widerstand aus der russischen Bevölkerung gegen Putin geben könne, teilte niemand in der Debatte: Fehlende demokratische Strukturen sowie Repressionen gegen Andersdenkende verhinderten Widerstände. „Es gibt keinen gerechten Krieg, denn immer geht die Menschlichkeit verloren“, stellte ein Diskussionsteilnehmer fest – und verdeutlichte damit auch die Ohnmacht angesichts eines anscheinend unlösbaren Konfliktes.
„In Westfalen wurde vor 375 Jahre Geschichte geschrieben. Vielleicht ist er keine Blaupause, sondern eine Inspiration für den Frieden, den wir uns wünschen in ganz Europa. Möge es nicht wieder 30 Jahre dauern!“ stellte Moderator und Westfalen e.V. Vorsitzender Manfred Müller in seinem Schlusswort fest. Und: „In Russland hätte man nicht so kontrovers und öffentlich über den Frieden diskutieren dürfen“, so der Paderborner Ex-Landrat. (vor)
Hinweis: Das Projekt wird von der LWL-Kulturstiftung gefördert im Kontext der Veranstaltungsreihe “375 Jahre Westfälischer Frieden.”